Hochsensibilität als Stärke im Beruf
In diesem Blogartikel gehe ich auf die Fragen ein:
Was ist Hochsensibilität?
Wie erkennt man Hochsensibilität?
Wie kann Hochsensibilität eine Stärke im Beruf werden?
Wie können Coaches Hochsensibilität diagnostizieren?
Bist Du hochsensibel? (Test und Lesetipps)
Hörst Du seit kleinauf diese Sätze?
- Sei doch nicht so sensibel.
- Nimm die Dinge doch nicht so persönlich.
- Du musst dir eine dickere Haut anschaffen.
- Jetzt hör doch mal auf zu Grübeln.
Wenn ja, besteht die Chance, dass Du hochsensibel bist.
Dies trifft auf ca. 20% der Bevölkerung weltweit zu. Der Begriff wurde Anfang der 1990er Jahre von Dr. Elaine N. Aron, einer Amerikanischen Psychologieforscherin geprägt. Sie beschreibt Hochsensibilität auch als Sensory Processing Sensitivity (SPS), also eine neurologische Verarbeitungstrategie die Sinneseindrücke besonders tiefgehend verarbeitet.
Fälschlicherweise wird dies oft als Schüchternheit ausgelegt. Dabei analysiert eine hochsensible Person ihre Umgebung lediglich vorab – und eingehender – als nicht-hochsensible Menschen.
Introvertierte und extrovertierte Hochsensible
Ein weiterer Irrtum ist, dass HSPs immer introvertiert sind. Ca. 30% der hochsensibel veranlagten Menschen sind extrovertiert… und viele davon sind wiederum sogar ‘sensation-seekers’, denen Abenteuer und Herausforderungen Freude bereiten. Auch Hochsensible springen Bungee. Nur werden sie sich vorab genauer vorbereiten, die Sicherheitsvorkehrungen genau prüfen, den Sprung intensiver erleben und danach länger brauchen, um die Erfahrung zu verarbeiten. Nehmen sich extrovertierte HSP’s nicht genügend ‘Aus-Zeit’, kann dies zu Überforderung und Stress führen.
Hochsensibilität ist eine erfolgreiche Überlebensstrategie
Hochsensibilität ist also keine psychische Abweichung, Defizit oder Krankheit, sondern eine genetische Veranlagung, die eine detaillierte Wahrnehmung und eine tiefgreifende innere Reflexion mit sich bringt.
HSP im Tierreich – eine erfolgreiche Evolution
Innerhalb einer Tierart existieren offensiv (bold) und zurückhaltend (shy) agierende Tiere, zu denselben Prozentanteilen wie beim Menschen (80/20). Dies wurde z.B. bei Primaten, Fischen und sogar Fruchtfliegen wissenschaftlich untersucht. Beide Verhaltensweisen – hochsensibel und nicht-hochsensibel – verschaffen evolutionäre Vorteile. Durch die unterschiedlichen Strategien wird das Überleben einer Spezies gesichert.
Freche Fische vs. zurückhaltende Fische
So finden freche Fische (bold fish) ihre Nahrung in der Mitte des Sees, sind dort aber auch besser sichtbar und werden schneller gefangen, während shy fish lieber am Seerand auf Futtersuche gehen und sich dort bei einem Angriff schneller verstecken können. Wären alle Fische ‘frech’ oder ‘zurückhaltend’ würde der jeweilige Nahrungsraum nicht für alle reichen.
Sensibel = schwach?
In unserem Sprachgebrauch wird ‘Sensibilität’ leider oft abwertend gesehen: jemand ist ein zartes Pflänzchen, neurotisch, schüchtern, still, passiv, ängstlich, nervös. Leiden und Sensibilität scheinen in unserem Sprachgebrauch zusammenzugehören. Forschungsberichte zeigen, dass diese Wahrnehmung stark kulturell geprägt ist. Im Asiatischen Raum werden hochsensible Eigenschaften positiver wahrgenommen als in z.B. Australien, USA und Kanada.
Was sind Merkmale von Hochsensibilität?
Hochsensibilität ist keine ‘Abweichung’, sondern eine genetische Veranlagung wodurch Informationen besonders genau aufgenommen und besonders gründlich verarbeitet werden. Hochsensibilität ist also kein Synonym für Introvertiertheit, Neurotizismus, oder Schüchternheit.
Merkmale von Hochsensitivität können sein (Auswahl, nach E. N. Aron 2010):
- Erstmal abwarten und schauen (processing over action)
- Auch kleinste Abweichungen und Veränderungen wahrnehmen
- Jedes Detail berücksichtigen wollen, Perfektionismus
- Gefühle und Emotionen anderer intensiv wahrnehmen
- In sicheren Umgebungen ‘aufblühen’, in fordernden, gefühlsarmen oder Test-Umgebungen überproportional unsicher werden
- Sehr gewissenhaft sein
- Ausgeprägter Gerechtigkeitssinn
- Sich schnell überstimuliert fühlen (physisch und / oder psychisch)
- Stark auf grelles Licht, kratzende Wolle auf der Haut, Zugluft, enge Kleidung reagieren
- Kreativ sein bzw. intensiv von Kunst und Kultur geniessen
- Intensive emotionale Reaktionen
- Schnell verstehen worum es geht, hohe Intelligenz
- Oft Vielbegabung
- Sich stark an rücksichtslosem Umgang oder an einer unästhetischen Umgebung stören
- Hohes Maß an Empathie
- Ausgeprägte Intuition
- Vorsichtige oder indirekte Sprache
- Schnell erschrecken
- Eher keine Veränderungen mögen
- Intensiv träumen
- Ausgeprägtes Interesse an Spiritualität
- Sich sehr wohl in der Natur fühlen, dort aufladen können
Nothing is wrong mit HSP’s!
Innerhalb ihres sensiblen Systems liegen wahre Superpowers, die jedoch eine balancierte Umgebung und genug Ruhe und Ausgleich benötigen. Hochsensible haben also besondere Stärken!
Hochsensibilität als Stärke im Beruf
Organisationen können froh sein mit ihren feinfühligen, gewissenhaften, emphatischen, fokussierten, intelligenten, reflektierten, detailorientierten hochsensiblen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen.
HSPs wertschätzend führen
Führungskräfte sollten dabei aber beachten, dass HSP’s am besten in einer reizarmen Umgebung funktionieren (also nicht direkt neben dem Drucker, unter der Klimaanlage in der Mitte eines Großraumbüros sitzen sollten).
Feedback sollte am besten kurz und wertschätzend sein. Wie kaum eine andere Zielgruppe florieren HSP’s vor allem durch positives Feedback.
Hochsensible Mitarbeitende müssen lernen, sich gut abzugrenzen, ihrer Umgebung deutlich machen was sie benötigen, um ‘in ihrer Kraft’ zu stehen und sich genug Zeit zur Reflexion gönnen (downtime).
Menschen die hochsensibel veranlagt sind coachen
Elaine N. Aron schreibt in ihrem Buch Psychotherapy and the Highly Sensitive Person, dass hochsensible Coachingklienten und -klientinnen überdurchschnittlich von Coaching profitieren. Sie geniessen die gemeinsame Reflexion mit dem Coach und können in einem sicheren Umfeld neues Verhalten üben und Gesprächsstrategien vorbereiten.
Oft geht es bei HSP’s darum ihre ‘andere’ Art der Informationsverabeitung zu erkennen, zu akzeptieren und gewinnbringend einzusetzen. Zur Diagnose nutzen Coaches vier Indikatoren, DOES genannt, um Hochsensibilität diagnostizieren zu können:
- Depth of processing – Versteht der Klient / die Klientin Dinge schnell, nimmt man als Coach tiefe Gedankengänge wahr, oft über das ‘Große Ganze’, fühlen die Klienten tiefe Gefühle.
- Overarousability – Stress, die Klienten vermeiden übervolle, laute, hochstimulierende Situationen lieber (oder müssen sich länger davon erholen), Burnout-Thema.
- Emotional intensity – reagiert stark auf verhältnisweise kleine Stimuli, Verhalten unter Druck verändert sich überproportional, hohes Maß an Selbstkontrolle.
- Sensory sensitivity – intensive Reaktion auf externe Reize, psychosomatische Symptome.
Business Coaching für Hochsensible Menschen
Bist du hochsensibel und möchtest du von einem registrierten HSP-Coach gecoacht werden, nimm hier Kontakt mit mir auf. Nach einem unverbindlichen telefonischen Kennenlernen machen wir einen ersten Termin aus, vor Ort in meinem Coachingraum (Großraum Stuttgart) oder online.
Business Coaching ist eine lösungs- und zielorientierte Begleitung für mehr Wohlbefinden und Effektivität im beruflichen Umfeld.
Mehr zum Thema HSP
- Mach hier den gratis Test ob Du HSP bist (auf Englisch).
- In Deutschland hat Anne Heintze viele Bücher über HSP geschrieben.
- Hier ein Interview mit Elaine Aron im Forbes Magazine zu u.a. zum Thema hochsensible Führungskräfte (auf Englisch)
Zum Schluss ein Disclaimer
Hochsensibilität kommt in vielen Formen vor. Hochsensibilität ist keine psychische Krankheit. Hast du Zweifel and deinem körperlichen oder psychischen Wohlbefinden bitte immer einen Arzt / eine Ärztin, bzw. eine Psychologin / einen Psychologen aufsuchen.